Landart und Naturkunst: Geschichte und Künstler

Geschichte der Landart

In Wüsten und entlegenen Gebieten der USA entstanden Mitte der 60er Jahre erste Earthworks, meist sehr großflächig angelegte Installationen die eine Gegenbewegung zur konsumorientierten Kunstszene darstellten. Künstler wie Walter de Maria, Robert Smithson oder Michael Heizer bewegten Erde und Stein in großem Maßstab um Formen in den Untergrund zu baggern oder Modellierungen vorzunehmen. Ausgiebige Exkursionen gehörten für viele Landart-Künstler zum Schaffensprozess und wurden teilweise sogar in die künstlerische Arbeit mit eingebunden wie bei Richard Long mit seinen konzeptionellen Wanderungen. Da die frühen Earthwork Künstler eine Klassifizierung strikt ablehnten wurde sowohl mit natürlichen Materialien als auch künstlichem Material gearbeitet. Die Provokation und die damit verbundene Botschaft stand im Vordergrund. Die frühen Earthworks waren immer auch Kritik an der Urbanisierung der Gesellschaft und den damit einhergehenden Umweltproblemen. Diese Sichtweise entsprach der politischen Stimmung in den später 68er Jahren, in der Aktivismus und Veränderung besonders unter Künstlern als obligatorisch galt.
1968 initiierte Smithson die erste Earth-Art Ausstellung die aus Außen-Projekten bestand welche als Fotos in der Dawn Gallery (New York) gezeigt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine Gruppe von Künstlern herauskristallisiert die sich den Earthworks verschrieben hatte und die man heute zu den Pionieren der Landart zählt. Auch kleinere Earthworks wie die von Robert Morris installierte „Antiform“ wurden ausgestellt. Filzstücke, Metallröhren und Drähte wurde mir Erde, Torf und Schmierfett vermischt was ganz klar ein Protest gegen die Formen-Sprache der traditionellen Kunst darstellte. Auch wenn es immer wieder Earthworks in Galerien gab lag das Hauptaugenmerk doch weiterhin auf den Outdoor-Installationen.

Landart

Kunstprojekte mit Naturmaterialien, im Natur- oder öffentlichen Raum werden heute etwas vereinfacht unter dem Begriff Landart zusammengefasst. Eigentlich gibt es zwei Strömungen die hier näher betrachtet und erklärt werden sollen. Von Landart spricht man bei Künstlern die sowohl in der Natur als auch im öffentlichen Raum oder für Ausstellungen arbeiten, vor Hilfsmitteln nicht zurückschrecken und in der Wahl ihrer Materialien offen sind. Das bekannte Künstlerehepaar Cristo mit ihrem verhüllten Reichstag sowie alle frühen Earthwork Künstler sind dieser Strömung zuzurechnen. Meist haben diese Installationen einen gewissen Hintergrund oder wollen eine sozialkritische Botschaft vermitteln, ein wichtiges Unterscheidungs-Merkmal zur Naturkunst, welche die Vorgänge in der Natur auf künstlerische Weise darstellt.

Naturkunst und Environmental-Art

Anfang der 70er Jahre entstandene europäische Strömung der Landart welche die Natur und ihre Ästhetik mehr in den Vordergrund stellt. Vorhandene Strukturen in der Natur werden erkannt und in einen künstlerischen Zusammenhang gebracht. Verarbeitet werden ausschließlich natürliche Materialien die vor Ort gefunden werden, Hilfsmittel wie Angelschnüre oder künstliche Gegenstände werden nicht eingesetzt. Auch die europäischen Naturkünstler benutzten wie die amerikanischen Pioniere der Landart die Fotografie als Medium und zur Dokumentation für ihre Kunst. Im Gegensatz zu den Earthworks die die Natur radikal umformten sind Naturkunstwerke in der Regel einfühlsame Eingriffe die im Einklang mit der Natur stattfinden.

Nils Udo

Seine Künstlerlaufbahn begann Nils Udo in den frühen 60er Jahren als Maler bevor er sich ab 1972 mit ersten Pflanzungen und Erd-Modellierungen der Naturkunst widmete. Seine Kunstwerke hält er auf Fotos und teilweise auch in gezeichneter Form fest um die Möglichkeiten seines kreativen Ausdrucks voll auszuschöpfen. Udo gilt als Wegbereiter der Naturkunst in Europa, andere Künstler folgten seinem Beispiel, entwickelten neue Ansätze und verhalfen dieser Kunstströmung zu einer Vielfältigkeit wie wir sie heute vorfinden.

Andy Goldsworthy

Das Bewusstsein über den ständigen Wandel und die Vergänglichkeit in der Natur ist ein zentrales Thema von Goldsworthys Arbeiten. Die Veränderungen werden fotografisch festgehalten um längerfristige Entwicklungen zu dokumentieren. Die Fülle der dabei verwendeten Materialien ist scheinbar grenzenlos, Goldsworthy überrascht immer wieder mit neuen Inspirationen. Neben zahlreichen Ausstellungen weltweit wird seine Arbeit hauptsächlich durch die urwüchsige Natur Schottlands geprägt in der er seit Jahren fest verwurzelt ist.
Der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm Rivers and Tides gibt einen kleinen Einblick in die Arbeitsweise des Naturkünstlers. Man kann dort sehr schön beobachten wie Goldsworthy beim Bauen seiner Kunstwerke ein Spannungsfeld aufbaut, ein Bewegen bis an die Grenze bzw. dem gewünschten Ergebnis. Aber auch das Scheitern gehört zu diesem Prozess, was gerade bei sehr aufwendigen Balance-Kunstwerken oft der Fall ist. Auch vor extremen Wetterbedingungen oder schwierigen Orten schreckt Goldsworthy nicht zurück, je größer das Spannungsfeld oder die Bedrohung des Kunstwerkes durch die Natur desto anspruchsvoller der Erschaffungsprozess und das Ergebnis. Als gelungen bezeichnet Goldsworthy ein Kunstwerk wenn es eine untrennbare Symbiose mit dem Entstehungsort eingeht und selbst zum Bestandteil der Kunst wird. Der große Bekanntheitsgrad und die weltweite Anerkennung ist auch auf seine wunderbaren Bildbände zurückzuführen die regelmäßig erscheinen und die Goldsworthy zur Ikone dieser Kunstströmung werden ließen.

Eigeninitiative

Beim Betrachten der großartigen Kunstwerke von Profi-Landart-Künstlern entsteht vielleicht bei vielen der Wunsch selbst aktiv zu werden. Man sollte am Anfang aber nicht zu viel von sich erwarten und erstmal klein anfangen. Trotzdem lohnt sich die Beschäftigung mit Landart für jeden der eine Beziehung zur Natur hat und diese noch intensivieren möchte. Durch das Hantieren mit den Natur-Materialien verändert sich die Wahrnehmung und das Verständnis für Vorgänge in der Natur. Die zusätzliche künstlerische Komponente sorgt für die nötige Motivation sich auszudrücken was der Seele gut tut. Wenn man erstmal einen Zugang gefunden und die ersten Projekte realisiert hat kann Landart und Naturkunst durchaus zur Sucht werden. Oberstes Gebot ist der behutsame Umgang mit der Natur, außerdem sollte nur Material verwendet werden das in ausreichender Menge vorhanden ist damit die Natur keinen Schaden nimmt.

Literatur:

Kastner, Jeffrey und Brian Wallis (2004): Land and Environmental Art, Phaidon Verlag Berlin
Lailach, Michael (2007): Land Art, Hrsg. Uta Grosenick, Taschen Verlag Köln
Hoormann, Anne (1996): Land Art - Kunstprojekte zwischen Landschaft und öffentlichem Raum, Reimer Verlag Berlin
Von Jörg Riedel, September 2014